„Auf jeden Fall wählen!“ Am 24. Oktober 2021 wählte Usbekistan seinen Präsidenten.

Taschkent, 11 Uhr am Sonntag, den 24. Oktober. Die Sonne strahlt wie an 246 übrigen Tagen im Jahr. An der Sekundarschule Nummer 110 ist heute kein einziger Parkplatz zu finden. Männer in schicken Anzügen und Frauen in schönen Kleidern und hochhackigen Schuhen laufen in einem scheinbar endlosen Strom zum Schulgebäude, das mit den Nationalflaggen Usbekistans geschmückt ist. Die Gesichter der Menschen sind voller Freude. Wenn man nicht wüste, was hier vor sich geht, könnte man meinen, die Leute würden zu einer großen Hochzeit gehen. In Wirklichkeit befindet sich hier das Wahllokal Nummer 105. 

Am 24. Oktober wählte Usbekistan seinen Präsidenten. An der Tür wird die Temperatur eines jeden kontrolliert. Für diejenigen, die ohne Maske kommen, liegen sie frei aus. Vor den Anmeldetischen bildet sich eine Schlange. Links von den Wahlkabinen steht ein langer Tisch, an dem Wahlbeobachter sitzen. Auch sie haben sehr ernste und gleichzeitig fröhliche Gesichter, soweit man das hinter Nasenmundschutzmasken erkennen kann. Mehrere Fernsehteams, Fotografen und Journalisten warten nur darauf, noch einen ausländischen Wahlbeobachter zu interviewen oder ein schönes Foto zu machen. Eine feierliche Atmosphäre liegt in der Luft.

Vielleicht handelt es sich aber auch um ein so genanntes Vorzeigewahllokal. Denn die Schule liegt in einer angesehenen Gegend. Wir fahren zu einem anderen Wahllokal. Der Wahllokal 354 befindet sich auch in einer Schule, obwohl die Gegend etwas weniger schick ist. Das Bild hier aber ist dasselbe – viele Menschen, alle in festlicher Stimmung. Auffallend ist, dass viele junge Familien mit Kindern kommen. Fast alle Frauen tragen Kopftücher. Die Menschen hier scheinen etwas konservativer zu sein. Der alten usbekischen Tradition der Gastfreundschaft folgend, lädt die Leiterin des Wahllokals, Feruza Rachimowa, uns als Gäste zum grünen Tee ein. „Dieses Jahr wurden die Wahllokale erst um acht Uhr morgens geöffnet, was viele Menschen nicht wussten, da die letzten Wahlen um sechs Uhr morgens begannen. Deswegen hat sich um acht Uhr eine riesige Schlange vor der dem Eingang gebildet“, sagt sie nicht ohne Stolz. „Wir haben bereits über 500 Menschen hier, die abgestimmt habe. Wenn es so weitergeht, werden wir eine Wahlbeteiligung von 90 Prozent erreichen!“

Usbekischer Basar, Foto: russland.NEWS

Nach Artikel 33 des usbekischen Wahlgesetzes ist es Medienvertretern untersagt, „die Wähler zu fragen, für wen sie gestimmt haben, oder ihnen beim Ausfüllen des Stimmzettels zu helfen“. Wir verzichten daher darauf, Fragen zu stellen. Eines ist klar: Das Interesse an den Präsidentschaftswahlen ist enorm. Bereits um drei Uhr nachmittags hatten fast 53 Prozent der knapp 21 Millionen Wähler ihre Stimme abgegeben. Nach dem Gesetz müssen 33 Prozent der registrierten Wähler ihre Stimme abgeben, damit die Wahl als gültig anerkannt wird. Die Wahllokale wurden um 20 Uhr geschlossen. Die Zentrale Wahlkommission erklärte die Präsidentschaftswahlen in Usbekistan jedoch bereits um 13 Uhr Ortszeit für gültig (die Wahlbeteiligung lag zu dieser Stunde bei über 33 Prozent). Das sagte der stellvertretende Vorsitzende der Wahlkommission (CEC), Bakhrom Kuchkarov, vor Journalisten.

Usbekischer Basar – das berühmte usbekische Brot "NON"; Foto: russland.NEWS

Fünf Kandidaten aus allen fünf Parteien – Umweltpartei, Milliy Tiklanish (Nationale Wiedergeburt), Liberal-Demokratische Partei (UzLyDeP), Demokratische Volkspartei (PDPU) und Adolat (Gerechtigkeit) – kandidierten für das Amt des Präsidenten.

Insgesamt wurden die Wahlen von 971 internationalen Beobachtern beobachtet, darunter 631 von internationalen Organisationen und 340 aus dem Ausland. Allein aus den GUS-Staaten haben 162 Beobachter die Wahlen überwacht. Viele internationale Beobachter, Menschenrechtsaktivisten und Experten bezeichnen die Wahlen in Usbekistan allerdings als nicht konkurrenzfähig.

Wahllokal, Registratur; Foto: russland.NEWS

Aber wie dem auch sei, wenn man mit Leuten spricht, spürt man die allgemeine Begeisterung. Die Menschen gehen zu den Urnen, als würden sie einen wichtigeт Feiertag feiern. Im Gegensatz zum weltweiten Trend, dass junge Menschen weniger an Wahlen teilnehmen als die ältere Generation, scheinen junge Usbeken ihr Wahlrecht mit großem Interesse wahrzunehmen. Auf jeden Fall gibt es in den Wahllokalen, die wir nicht nur in Taschkent, sondern auch in anderen Städten besuchen konnten, viele junge Gesichter.

„Ich werde auf jeden Fall zur Wahl gehen“, sagte mir Yulduz, eine Studentin der philologischen Fakultät der Universität Samarkand, am Vortag der Wahlen. Meine Frage, warum, kam ihr seltsam vor. Es scheint ihr so selbstverständlich wie eine fundierte Ausbildung zu bekommen oder die Älteren zu respektieren. Das gehört einfach dazu.

Stimmabgabe, versiegelte Wahlurne; Foto: russland.NEWS

Um 20 Uhr örtlicher Zeit waren die Wahllokale geschlossen. Laut der Zahlen der Zentralen Wahlkommission um 17:00 lag die Wahlbeteiligung bei den Präsidentschaftswahlen bei 71,8 Prozent. Am nächsten Tag lagen genauere Zahlen vor: Die Präsidentschaftswahlen in Usbekistan am 24. Oktober wurden nach vorläufigen Angaben vom amtierenden Staatschef Shavkat Mirziyoyev mit 80,1 Prozent der Stimmen gewonnen. Die Wahlbeteiligung lag bei über 80,8 Prozent.

Sein Sieg kam nicht überraschend, viele Analysten haben ihn vorhergesagt. Mirziyoyev ist in der Öffentlichkeit beliebt, und seine liberale Politik und seine Reformen in allen Lebensbereichen werden von der größten Teil Bevölkerung anerkannt und begrüßt. Diejenigen, mit denen wir vor der Wahl sprechen konnten, sagten, sie seien stolz auf ihren Präsidenten. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn die Veränderungen im Land sind mit bloßem Auge zu erkennen. Der Bau neuer Straßen, die Schaffung einer modernen Infrastruktur, die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen – all die Ergebnisse der Reformpolitik von Mirziyoyev sind bereits nach fünf Jahren seiner ersten Amtszeit gut sichtbar.

Wahlkabinen; Foto: russland.NEWS 

Mirziyoyev war am Ende der Amtszeit des ersten Präsidenten Usbekistans, Islam Karimov, Premierminister. Karimov regierte das Land 25 Jahre lang bis zu seinem Tod im September 2016. Der Machtantritt von Mirziyoyev markierte eine bedeutende Liberalisierung und Modernisierung des politischen und wirtschaftlichen Lebens im Lande. Eine ganze Reihe radikaler politischer Reformen sollte das Land in jeder Hinsicht nach vorne bringen. Die meisten Experten gehen davon aus, dass der politische Kurs von Mirziyoyev nach seiner Wiederwahl weitere Wirtschaftsreformen und eine tiefere Liberalisierung aller Lebensbereiche in Usbekistan implizieren wird.

Teil des Wahlprogramms von Shavkat Mirziyoyev war die „Strategie des neuen Usbekistan“. Es sieht vor, die Armut bis 2027 um mindestens die Hälfte zu reduzieren, die Inflation bis 2023 auf 5 Prozent zu senken, die digitale Wirtschaft zu entwickeln, die Justiz- und Rechtsreformen zu vertiefen, die Lebenserwartung zu erhöhen, mehr ausländische Investitionen anzuziehen, die Qualität der Bildung zu erhöhen und die öffentliche Verwaltung zu verbessern.

Das Programm ist also sehr ehrgeizig, und der neue alte Präsident muss nun den hohen Erwartungen gerecht werden, die in ihn gesetzt werden.

Quelle: Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS
Alle Fotos: © russland.NEWS

Laut dem Vorsitzenden der CEC, Zayniddin Nizamkhodjaev, sind die Ergebnisse wie folgt:

- 5,48 Prozent der Wähler (888.515 Personen) stimmten für Alischer Kadyrow ("Demokratische Partei der Nationalen Wiedergeburt" Usbekistans);

- 80,12 Prozent (12.988.964 Personen) stimmten für Shavkat Mirziyoyev (UzLiDeP);

- 6,63 Prozent (1.075.516 Personen) stimmten für Maksuda Vorisova (Demokratische Volkspartei Usbekistans);

- 3,39 Prozent (549.766 Personen) stimmten für Bakhrom Abdukhalimov („Gerechtigkeit" der Sozialdemokratischen Partei Usbekistans);

- 4,14 Prozent (670.641 Personen) stimmten für Narzulla Oblomurodov (Ökologische Partei Usbekistans).

Insgesamt waren mehr als 21 Millionen Bürger:innen zur Wahl aufgerufen.